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Beitrag vom 05.12.2011
The Help. Kinostart 08. Dezember 2011. Einsendeschluss für den flankierenden Schreibwettbewerb 15. Dezember 2011
Lisa Scheibner
"You is kind, you is smart, you is important", bringt Aibileen dem kleinen weißen Mädchen bei, das in den rassistischen Südstaaten der USA der 60er Jahre eine Verbündete...
... zu sein scheint. Eine liebevolle Aufmunterung für ein Kind, das von seiner Mutter abgelehnt wird. Aber schon in wenigen Jahren wird das Machtverhältnis zwischen der schwarzen Hausangestellten und dem weißen Kind ein ganz anderes sein. Wenn alles so bleibt, wie es ist.
"Ich habe 17 Kinder großgezogen, für 95 Cent die Stunde." Die scharfsinnige Aibileen (Viola Davis) arbeitet seit ihrer Jugend als Kindermädchen für weiße Familien. Für ihren eigenen Sohn hat sie, als er klein war, nur nach Feierabend Zeit gehabt. Doch nun fällt es ihr immer schwerer, die Ungerechtigkeiten, denen sie als schwarze Hausangestellte ausgesetzt ist, zu ertragen.
Jackson, Mississippi, Anfang der 1960er Jahre: Die "Rassengesetze" versprechen gleiche Rechte für schwarze und weiße Menschen unter dem Slogan "separate but equal". Doch in der Realität treten sie die Nachfolge der Sklaverei an und schreiben die Regeln für eine zutiefst rassistische Gesellschaft, in der schwarze BürgerInnen als Menschen zweiter Klasse behandelt werden und praktisch keine Möglichkeit haben, sich dagegen zu wehren. Die schwarze BürgerInnenrechtsbewegung ist in den Südstaaten noch lange nicht angekommen.
Martin Luther King ist weit weg
Die junge Skeeter (Emma Stone), weiß, intelligent, aus gutem Hause, kehrt nach dem College in ihre Heimatstadt zurück, sie möchte Journalistin oder gar Schriftstellerin werden.
Ihr Leben daheim zeigt sich ihr nach dem Studium in einem anderem Licht: Skeeter nimmt nun wahr, wie rassistisch die weiße Oberschicht ihre schwarzen Hausangestellten behandelt. Die fiese Hilly etwa (Bryce Dallas Howard), eine zutiefst unzufriedene weiße Hausfrau, baut ein Außenklo, weil sie es für unhygienisch hält, die gleiche Toilette zu benutzen wie das schwarze Personal.
Skeeter hat die Idee, die Erfahrungen der schwarzen Frauen in ihrer Umgebung aufzuschreiben, um ihnen eine Stimme zu geben. Minny (Octavia Spencer) und Aibileen, Köchin und Kindermädchen in befreundeten Familien, sind zunächst nicht begeistert. Für sie steht ihre Existenz auf dem Spiel, falls herauskommt, dass sie von den menschenunwürdigen Zuständen berichtet haben, unter denen sie täglich leiden. Doch die Feindseligkeit ihrer ArbeitgeberInnen wird ihnen immer unerträglicher, und so beschließen sie, trotz Skeeters jugendlicher Naivität, an deren Projekt teilzunehmen.
Weiße Kinder als Verbündete des unterdrückten Personals?
In "The Help" wird der Zuckerguss, mit dem die wohlhabenden Weißen ihr Leben zu garnieren versuchen, ausgiebig entlarvt: Sexismus arbeitet Hand in Hand mit Rassismus: Außer Heiraten, Bridge und Charity-Veranstaltungen für "afrikanische Kinder" gibt es in den 1960ern nicht viel im Leben der jungen, weißen Südstaatlerinnen. Und so lassen sie ihren Frust über das eigene Unbedeutendsein je nach Charakter an ihren Kindern und Hausangestellten aus. Die weißen Kinder kommen in Tate Taylors Film nach dem Roman "The Help" von Kathryn Stockett, überraschend gut davon: sie werden als Verbündete der schwarzen Hausangestellten inszeniert, inspiriert von den Kindheitserinnerungen des Regisseurs und der Autorin, die ihre jungen Alter Egos scheinbar nicht auf der Seite der AusbeuterInnen sehen möchten. Dabei sind die Schwierigkeiten der unglücklichen Kinder mit denen der schwarzen Frauen nicht im geringsten vergleichbar. Beide als gutmütig und unschuldig darzustellen, verschleiert die Privilegierung der einen und vorenthält den anderen ihre berechtigte Wut.
Aibileen und Minny, wunderbar gespielt von Viola Davis und Octavia Spencer, sind zwar die Sympathieträgerinnen des Films, Identifikationsfigur aber bleibt eine Weiße, Skeeter, die letztlich hofft, ihre Karriere mit dem geplanten Buch zu beginnen. Für die Hausangestellten scheint es zunächst zu Kochen und Kindererziehen keine Alternative zu geben und, hier wird ein Klischee bedient: Aibileen liebt Kinder, Minny das Kochen. Aibileens Traum, vielleicht auch einmal Schriftstellerin zu werden, scheint unrealistisch. Als die Frauen beginnen, wenigstens gedanklich ihre Rechte einzufordern, müssen sie zugleich mit den Folgen von Skeeters Vorhaben leben: Jede Form des Aufbegehrens kann für schwarze BürgerInnen lebensgefährlich werden.
Eine Weiße gibt den Anstoß zur Veränderung
Eine Weiße mit Gerechtigkeitssinn hat eine Vision und den Mut, diese umzusetzen, die schwarzen Frauen müssen erst davon überzeugt werden, dass sie ein Recht auf eine Meinung haben. Das mag der Zeit geschuldet sein, in der der Film spielt, ist aber dennoch enttäuschend und lässt Aibileen, Minny und die anderen Frauen auch geistig als abhängig erscheinen. Die einzige schwarze Figur, die in "The Help" eigenständiges revolutionäres Potential hat, ist Rachel (Rhonda LaChanze), die Tochter von Skeeters ehemaligem Kindermädchen Constantine (Cicely Tyson). Sie erscheint leider nur kurz als Nebenfigur. Skeeter kommt nicht auf die Idee, auch Rachel zu interviewen. Dabei hätte sie viel erfahren können von dem Kind, das parallel zu ihr aufgewachsen ist, aber seine Mutter mit ihr teilen musste. Dass Skeeter trotz ihres Gerechtigkeitssinns Teil des Unterdrückungssystems ist und davon profitiert, wird im Film nicht thematisiert, ihr Erfolg scheint ausschließlich Folge ihrer eigenen Fähigkeiten zu sein.
AVIVA-Fazit: "The Help" blickt hinter die Kulissen der sauberen Südstaatenromantik und zeigt den alltäglichen Rassismus gegen schwarze Hausangestellte im Mississippi der 1960er Jahre. Das berührende Spiel der Darstellerinnen Viola Davis und Octavia Spencer lässt die Zuschauerin die Ungerechtigkeit intensiv miterleben, gerade auch dann, wenn diese, wie so oft im Film, schweigen müssen, statt sich zu wehren und sich der innere Widerstand nur in ihrer Mimik zeigt. Dennoch fragt mensch sich, warum diese Geschichte im Jahr 2011 genau so, nämlich aus weißer Perspektive, erzählt wird. Warum ist einmal mehr die weiße Journalistin die mutige Heldin, die das gefährliche Projekt ins Rollen bringt, die schwarzen Hausangestellten hingegen die, die sich nur mit heimlichen Tricks wehren? Ein Film über die bösen, alten Zeiten vor der schwarzen BürgerInnenrechtsbewegung, der durch die Wahl einer weißen Identifikationsfigur eher als Feelgood-Film taugt, als Rassismus, der auch heute noch massiv wirksam ist, effektiv zu kritisieren.
Zum Filmteam: Regisseur Tate Taylor ("Winter´s Bone", 2010, "Pretty Ugly People", 2009) stammt genau wie Kathryn Stockett, die Autorin der Romanvorlage "The Help" (auf deutsch: "Gute Geister"), aus Jackson, Mississippi, wo die beiden in den 70er Jahren zusammen aufwuchsen. Viola Davis ("Eat, Pray, Love", 2010, "Solaris", 2002 u.v.a.) wurde für ihre Darstellung der Mrs. Miller in "Glaubensfrage" (2008) für den Oscar als beste Nebendarstellerin nominiert und gewann bereits einen Tony Award am Broadway. Octavia Spencer ist bekannt aus Filmen wie "Dinner für Spinner" (2010) und "Sieben Leben" (2008), arbeitete bereits bei "Pretty Ugly People" mit Tate Taylor, die beiden lebten einige Jahre zusammen in einer Wohngemeinschaft und sind eng befreundet. Emma Stone spielte unter anderem in mehreren Komödien wie "Einfach zu haben" und "Freunde mit gewissen Vorzügen" (2011).
Schreibwettbewerb zu "The Help":
Unter dem Motto "Veränderung beginnt mit einem Flüstern" ruft der btb Verlag, bei dem Kathryn Stocketts Buchvorlage "Gute Geister" erschien, zum Kinostart von "The Help" zu einem Schreibwettbewerb auf. Bis zum 15. Dezember 2011 können Kurzgeschichten – das Genre ist frei wählbar – an schreibwettbewerb@btb-verlag.de geschickt werden. Die fünf besten Beiträge werden anschließend in einem eBook veröffentlicht. Mehr zu den Teilnahmebedingungen unter: www.randomhouse.de/btb/.
The Help
USA 2011
Buch und Regie: Tate Taylor
DarstellerInnen: Viola Davis, Octavia Spencer, Emma Stone, Bryce Dallas Howard, Allison Janney, Sissy Spacek, Jessica Chastain, Cicely Tyson u.a.
Verleih: The Walt Disney Company Germany
Lauflänge: 146 Minuten
Kinostart: 08. Dezember 2011
www.thehelp-derfilm.de